Bern (AWP/sda) - Der Bundesrat will den Zugang zur IV-Rente erschweren und dafür die Wiedereingliederung verstärken. Die 5. IV-Revision soll die Zahl der neuen Renten um 20% verringern und das Sozialwerk ab 2007 um jährlich knapp 600 Mio CHF entlasten.
Die Landesregierung hat am Mittwoch die Revisionsbotschaft verabschiedet, die neben Einsparungen auch eine Erhöhung der Lohnbeiträge vorsieht. In einer separaten Botschaft schlägt sie vor, ab 2008 einen Mehrwertsteuer-Zuschlag von 0,8 Prozentpunkten für die IV zu erheben.
Ziel der beiden Vorlagen ist es, die Invalidenversicherung zu entschulden. 2009 soll das heute mit jährlich rund 1,6 Mrd CHF defizitäre Sozialwerk wieder schwarze Zahlen schreiben. Bis 2024 soll auch der Schuldenberg von derzeit über 6 Mrd CHF abgetragen sein.
früherfassen und intervenieren
Um den Anstieg der IV-Rentner vorab unter jüngeren Menschen zu bremsen, will der Bundesrat die Massnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung verstärken. Dazu soll sofort und flächendeckend ein System zur Früherfassung der Personen eingeführt werden, die aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig werden.
Ergänzt wird dieses System durch neue Massnahmen der Frühintervention ohne aufwändige Abklärungen durch die IV-Stellen. Primäres Ziel ist die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes oder- wo dies nicht möglich ist - die Eingliederung an einer neuen Stelle innerhalb oder ausserhalb des Betriebs.
Hürde wird höher
Im Gegenzug schränkt die Revision den Anspruch auf die IV-Rente ein. Eine Rente gibt es nur noch, wenn die Eingliederungsmassnahmen zum vornherein aussichtslos sind oder trotz den Bemühungen der gesetzlich zur Mitwirkung verpflichteten Betroffenen nicht zum Ziel führen. Gleichzeitig wird auch der Invaliditätsbegriff enger als bisher gefasst.
IV-Renten sollen nicht mehr rückwirkend auf den oft Jahre zurückliegenden Beginn der Erwerbsunfähigkeit ausgerichtet werden, sondern frühestens sechs Monate nach der Anmeldung bei der IV. Die Mindestbeitragsdauer für den Anspruch auf eine Rente wird von zwei auf drei Jahre verlängert.
gegen falsche Anreize
Ausmerzen will der Bundesrat falsche Anreize, die den Bezug einer Rente attraktiver machen als die Erwerbstätigkeit. Diesem Ziel dient eine Anpassung des IV-Taggeldystems. Wer seine Resterwerbsfähigkeit nutzt, soll zudem nicht länger durch die Kürzung oder gar den Wegfall der Rente bestraft werden.
Dazu kommen gezielte Sparmassnahmen. 116 Mio CHF werden mit der Abschaffung der laufenden Zusatzrenten für verheiratete IV-Rentner gespart, 102 Mio CHF mit dem Wegfall des Karrierezuschlags auf den Renten. Medzinische Behandlungen soll - mit Ausnahme jener bei Geburtsgebrechen - die Krankenversicherung bezahlen.
Beitragserhöhung genügt nicht
Auf der Einnahmenseite schlägt der Bundesrat vor, den hälftig von Versicherten und Arbeitgebern bezahlten Lohnbeitrag von 1,4 auf 1,5% zu erhöhen und so jährlich 303 Mio CHF zu gewinnen. Teilweise will er damit auch die Entlastung der Zweiten Säule durch die Reduktion der Neurenten kompensieren.
Die mit der 5. IV-Revision vorgeschlagenen Massnahmen werden den Finanzhaushalt der IV im Mittel der Jahre bis 2025 um 596 Mio CHF entlasten. Dabei steigt die Entlastung ab 2010 kontinuierlich auf über 1 Mrd CHF im Jahr 2021 und 1,3 Mrd CHF im Jahr 2025 an. Für die dauerhafte Sanierung des Sozialwerks genügt dies indessen nicht.
ZUSTUPF DER MEHRWERTSTEUER
Ohne Zusatzfinanzierung würde die Verschuldung der IV bis 2010 nämlich auf über 16 Mrd CHF anwachsen. Davon wäre auch die AHV betroffen, die der IV zur Schuldendeckung ein Darlehen gewährt. 2011 wäre die Liquidität des AHV/IV-Ausgleichsfonds und damit die Auszahlung der Renten gefährdet.
Um das zu verhindern, beantragt der Bundesrat in einer zweiten Botschaft eine lineare Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der IV um 0,8 Prozentpunkte. Diese Erhöhung - ohne Anteil für den Bund - soll ein Jahr nach der Gesetzesrevision in Kraft treten, das heisst voraussichtlich Anfang 2008.
HILFT DAS GOLD?
Für 2008 werden die Mehreinnahmen aus dem MWST-Zuschlag auf 1,7 Mrd CHF geschätzt, für 2025 auf 2,5 Mrd CHF im Durchschnitt der Jahre bis 2025 auf 2,5 Mrd CHF. Dies genügt zusammen mit dem Effekt der 5. IV-Revision, um das Sozialwerk 2024 schuldenfrei zu machen.
Rascher ginge es, sollte der Bundesanteil von 7 Mrd CHF am Verkauf des Nationalbankgoldes im Sinne des Ständerates zur Tilgung der IV-Schuld verwendet werden. 2008 würde dann eine MWST-Erhöhung um 0,7 Punkte genügen. Die IV wäre schon ab 2009 nicht mehr defizitär und hätte bereits 2002 ein Plus im Kapitalkonto.
mk